Freitag, 29. März 2013






Bericht vom Donnerstag, den 28. März




Um 7h30 legen wir in Helsinki ab. Es geht nach Estland. Die riesige Fähre muss sich den Weg durch das teilweise gefrorene Hafenbecken bahnen. Ich beobachte das Schauspiel während eines ausgezeichneten Frühstückbuffets. Riesige Schollen werden nach und nach zur Seite gedrängt und in kleinere Stücke gebrochen. Selbst auf dem offenen Meer treiben große Eisschollen. Über den Golf von Finnland steuern wir Tallinn an. Das Hafenbecken ist auch hier von einer geschlossenen Eisdecke bedeckt. Das große Schiff verursacht beim Ansteuern der Mole einen beträchtlichen schürfenden Lärm beim Kontakt mit dem Eis.


  Tallin mit Stahlträger des Estoniadenkmals im Vordergrund
 

Am Rande der Altstadt ragt eine überdimensionaler Stahlträger sichelförmig empor. Er erinnert an den Untergang der Estonia im Jahre 1994, der über 800 Menschenleben forderte. Die Stadt wirkt im Vergleich zu Helsinki fast kleinstädtisch. Immer wieder gibt es große Flächen, die unverbaut sind. Sie sind die Folge eines großen russischen Bombenangriffs aus dem Jahr 1944. Man entschied, diese auch nach der Unabhängigkeit 1991 am Ende der sowjetischen Fremdherrschaft, nicht mehr zu  bebauen. Am Abend besuche ich die estnische Nationaloper. Auf dem Programm steht Faust von Charles Gounod. Ich verspüre einen Hauch von Hollywood. Die Publikumslieblinge des letzten Jahres werden ausgezeichnet. Überall rings um mich herum sitzen Sänger im Parkett. Die Nominierten nehmen Aufstellung und das Kuvert mit den Preisträgern wird auf der Bühne geöffnet. Ich habe Glück. Die beiden Gewinner sind als Faust und Gretchen in der folgenden Aufführung zu sehen. Der Schlussapplaus endet in frenetischem Fußgetrampel. Nach der Vorstellung gönne ich mir ein Bier in einer Bar. Vor dem Eintritt muss ich eine Leibesvisitation über mich ergehen lassen. Sicherheit geht vor. Kein Wunder, denn die Hälfte der Einwohner Helsinkis sind hierher gekommen, um günstig den Alkoholspiegel im Blut zu heben. Ich glaube, dass bei manchen der überwiegend jüngeren Gäste eine Angabe des Alkoholgehaltes im Blut in Prozent duchaus geeigneter wäre als in Promille. Der Zustand mancher erinnert an Wiener Altersgenossen in lauen Sommernächten am Donaukanal oder im Bermudadreieck.

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